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Verkehrspolitik für Berlin



In der Kantstraße wurde im Frühjahr 2020 ein ‘Pop up – Radweg’ angelegt. Zuvor brauchte es viel Mut und Durchsetzungsvermögen, um diese Straße mit dem Fahrrad zu befahren. Um den Radweg zu ermöglichen, wurde in jede Richtung eine der beiden Auto-Fahrspuren zum Radweg erklärt. Im östlichen Teil der Kantstraße wurden die Parkplätze vom Bürgersteig zwischen Auto-Fahrspur und Radweg verlegt. Hier ist das nicht möglich, da quer zwischen Bäumen geparkt wird. Es gibt weiterhin keine Lieferanten-Parkplätze – das individuelle Fahrzeug braucht Platz. Lieferanten müssen daher in der zweiten Reihe parken und Radfahrer brauchen immer noch Umsicht, um heil hier durchzukommen. Das Fahrzeug auf dem Radweg im Bild links wird auch nicht etwa wegen Behinderung abgeschleppt, der Fahrer hatte eine Panne, und der Abschleppwagen gehört einem zur Hilfe gerufenen Mechaniker. Dass Radfahrer behinderndes Parken geahndet oder gar abgeschleppt wird, habe ich noch nicht gesehen. Jetzt soll allerdings der provisorische Radweg baulich etabliert und verbessert werden.

Trotz der aktuellen Einschränkungen ist dieser Radweg ein großer Gewinn für Radfahrer. Es ist ein seltener Fall. Bisher wurde der Autoverkehr wegen Radwegen selten eingeschränkt, eher wird auf engen Bürgersteigen ein Radweg ausgezeichnet oder ein schmaler Streifen neben die parkenden Autos gemalt. Ich bin gestern mit dem Rad 6 km zu einem Ziel in Schöneberg gefahren. Dort gab es nur 60 % der Strecke überhaupt Radwege (Google-Maps-Angabe). Immer da wo es eng, also schwierig wurde, hörten die auf, außer halt hier in der Kantstraße.

Dies soll sich ja nach dem (angesichts eines aussichtsreichen Volksentscheides verabschiedeten) Berliner Mobilitätsgesetz ändern.

Der Radweg hier in der Kantstraße war von Anfang an umstritten. Trotz des gemessenen Erfolges, (Verdreifachung des Radverkehrs, 22 % weniger PKW, Verbesserung der Luftqualität).

Jetzt wird in Berlin ja schon wieder gewählt. Eine kleine Oppositionspartei hat in der Kantstraße dieses Plakat aufgestellt – ‘Verkehrspolitik für Berlin. Nicht gegen Autos’. Die größere Oppositionspartei will ‘Verkehrspolitik für Alle. Auch für Autos’. Es werde also zu wenig an Autos gedacht, nur an die Radfahrer, die ja schon einige wie hier bis zu 3 km lange einigermaßen ambitionierte Radwege und  dazwischen teilweise sogar so 1,2 m breiten Fahrstreifen haben. Ich kann versichern, dass wir Radfahrer ständig an Autos denken, sonst leben wir nicht lange. Umgekehrt wäre das auch schön – dazu könnte Politik aufrufen, anstatt die Probleme eines nicht funktionierenden Verkehrssystem denen, die umdenken, in die Schuhe schieben zu wollen.

In the spring of 2020, a ‘pop up – cycle path’ was created in Kantstraße. Previously, it took a lot of courage and assertiveness to cycle along this street. To make the cycle lane possible, one of the two car lanes in each direction was declared a cycle lane. In the eastern part of Kantstraße, the parking spaces were moved from the pavement between the car lane and the cycle path. This is not possible here because parking is transversely between trees. There are still no supplier parking spaces – the individual vehicle needs space. Suppliers therefore have to park in the second row and cyclists still need care to get through in one piece. The vehicle on the cycle path in the picture on the left is not being towed away for obstruction, the car broke down and the tow truck belongs to a mechanic who was called to help. I have rarely seen anyone penalised for obstructive parking on the bike lane or even towed away. Now, however, the temporary cycle path is to be structurally established and improved.

Despite the current restrictions, this cycle path is a great asset for cyclists. It is a rare case. So far, car traffic has rarely been restricted because of cycle lanes, rather a cycle lane is marked on narrow pavements or a narrow strip is painted next to the parked cars. Yesterday I cycled 6 km to a destination in Schöneberg. There, only 60% of the route had any cycle lanes at all (Google Maps information). Whenever it got narrow and difficult, the lanes ended, except here in Kantstraße.

This is supposed to change according to the Berlin Mobility Law (passed in view of a promising referendum).

The cycle path here in Kantstraße was controversial from the start. Despite the measured success, (tripling of cycling, 22% less cars, improvement of air quality).

Now there are elections in Berlin again. A small opposition party has put up this poster in Kantstraße – ‘Transport policy for Berlin. Not against cars’. The larger opposition party wants ‘Transport policy for all. Also for cars’. So too little thought is given to cars, only to cyclists, who already have some reasonably ambitious cycle lanes, as here up to 3 km long, and in between sometimes even lanes as wide as 1.2m. I can assure you that we cyclists are constantly thinking about cars, otherwise we won’t live long. The other way round would also be nice – politicians could call for this instead of trying to blame the problems of a non-functioning transport system on those who rethink.

 

Comments

2 responses to “Verkehrspolitik für Berlin”

  1. Peter Scherbarth Avatar

    Diese Plakate, die mehr Verständnis für Autos fordern, säumen hier bizarrerweise auch die Heerstraße, an der sich jeden Morgen und jeden Nachmittag das Problem einer nach Westen, ins benachbarte Bundesland, hineinwachsenden Stadt ohne ernstgemeinte öffentliche Verkehrsanbindung beobachten lässt. Gut, wenn die Oppositionsparteien mich wankelmütigen Bürger so wieder in die Arme der Regierungspartei treiben, die ich seit Dekaden nie gerne gewählt habe.

    1. Rolf Schröter Avatar

      ja. Man muss nicht mal an den Klimawandel denken, um zu sehen, dass auf das Auto fokussierte Verkehrspolitik in Städten nicht funktioniert. Da ja leider auch die SPD nicht gerade ambitioniert umsteuern will, ist die Auswahl an Parteien, die zumindest in der Realität leben, recht gering. Und dass die Plakate ausgerechnet da stehen, wo man das Problem eigentlich am deutlichsten erkennen könnte, zeigt einen seltsamen Humor.

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